Kinderbeschwerdeverfahren
Kinderbeschwerdeverfahren: "… dass sie mit all ihren Anliegen gehört werden"
Das Team und die Kinder der Ev. Kita Blauwal haben im Zeitraum von Mai bis Oktober 2021 verschiedene Kinderbeschwerdeverfahren erprobt. Ein Gespräch mit der Kita-Leiterin Sabine Maiwald-Immer anlässlich des Internationalen Tages der Kinderrechte (20. November).
Warum ist es Dir und dem Team so wichtig, ein Kinderbeschwerdeverfahren einzuführen?
Uns ist ein stetiger Austausch miteinander wichtig. Wir möchten die Kinder ermutigen, eigene Grenzen zu setzen sowie die Erfahrung zu machen, selbstwirksam zu handeln. Zusätzlich möchten wir ihnen die Möglichkeit geben, Strukturen aufzuweichen, sie zu hinterfragen und bedürfnisorientiert zu ändern. Wir wollen ein Bewusstsein schaffen, dass sie sich beschweren dürfen und ihren Anliegen Gewicht beigemessen wird. Sie sollen ein Gefühl dafür bekommen, dass sie mit all ihren Anliegen gehört werden. In diesem Zuge haben wir ihnen die Kinderrechte nähergebracht.
Für welche Verfahren habt ihr Euch entschieden?
Im Rahmen der internen Teamtage haben wir drei Beschwerdeverfahren vorab ausgewählt: Zum einen gab es eine Motzkiste, die die Kinder mit ihren Anliegen in Form von Bildern befüllen konnten, um sie dann im Morgenkreis auswerten zu können. Des Weiteren haben wir eine Verabredungswand im Flur mit Fotos von uns Mitarbeiter*innen installiert sowie Fotos der Kinder, die sich im Gruppenraum befinden. Gab es Anliegen von Seiten der Kinder – Kummer, Beschwerden oder Ähnliches –, konnte das Kind sein Bild an die Verabredungswand heften, passend zu der pädagogischen Fachkraft, mit der es in den Austausch gehen möchte. Anschließend sind wir mit ihnen ins Gespräch gegangen mit Hilfe des Faustlos-Leitfadens**. Und das dritte Verfahren ist eine wöchentliche Leitungssprechstunde für die Kinder, in der Themen und Anliegen der Kinder bearbeitet werden konnten.
**Anm.: "Faustlos" ist ein für Kindergärten und Schulen entwickeltes, wissenschaftlich evaluiertes Programm zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und zur Prävention aggressiven Verhaltens. Das Programm vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten in den Bereichen Empathie, Impulskontrolle und Umgang mit Ärger und Wut.
Wie habt ihr die Testphase erlebt?
Gemeinsam und voller Neugier haben wir mit den Kindern die neuen Verfahren ausprobiert. Wir erlebten spannende Gespräche, haben beobachtet, dass die Kinder sehr genau ihre Gefühle dabei benennen konnten, verschiedene Lösungsvorschläge entwickelten und Lust am Ausprobieren verschiedener Lösungswege hatten.
Jetzt die spannende Frage, welches der Verfahren wurde am meisten genutzt?
Tatsächlich haben die Kinder die Verabredungswand im Flur sehr aktiv genutzt. Beschwerden waren zum Beispiel: "Warum gehen wir immer aufs Tempelhofer Feld?", "Warum kommen meine Eltern mich so spät abholen?", "Wir finden es blöd, dass wir kein Spielzeug auf die Hochebene oder runternehmen dürfen.", "Der hat mich geärgert.".
Welche Rückmeldungen habt ihr von den Eltern erhalten?
Die Eltern finden es ganz großartig. Rückmeldungen waren, dass sie selbst gern so ein Beschwerdeverfahren als Kind gehabt hätten. Einige Familien haben sogar ein eigenes Beschwerdeverfahren zu Hause erstellt.
Und noch eine Urlaubsanekdote: Ein Junge aus meiner Gruppe hat mitbekommen, dass sich seine Tante und sein Opa gestritten haben. Daraufhin ist er in sein Zimmer gerannt, hat seinen Faustlos-Leitfaden gesucht und ist zu seinem Opa geflitzt und hat gefragt: "Opa, was ist denn das Problem?"
Und zu den Kindern: Sie sind sehr kreativ, was die Lösungsideen angeht, können mittlerweile klar benennen, welches Gefühl das bei ihnen auslöst, und beschreiben, was das mit ihnen macht.
Herzlichen Dank an Sabine Maiwald-Immer und das gesamte Team der Ev. Kita Blauwal!