Leuchtturm
Kita-Bibliothek
Vom Bücherglück umgeben – Aus der Welt des Kindergartens
Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Buch? An das allererste Buch vielleicht, das man Ihnen immer und immer wieder vorgelesen hat und das Sie anschauen wollten? Oder an das erste Buch, das Sie selber mit so viel Begeisterung gelesen haben, dass Sie es nicht aus den Händen legen konnten?
All die Protagonisten, die Sie in die Welt der Geschichten mitgenommen haben? Erinnern Sie sich?
Ich erinnere mich sehr gut an die Bücher, die mich begleitet haben, an all die Abenteuer mit Mäuschen Wackelohr, an die rote Zora, Ronja Räubertochter, das doppelte Lottchen und später an all die Frauen und Männer in vielen lesenswerten Romanen, ja auch in Biographien.
Selbst die Bücher meiner Eltern, die ich mir heimlich nahm, um mich an die Welt der Erwachsenen heranzutasten, bleiben mir in guter Erinnerung. Ich war von klein auf von Büchern umgeben und das war und ist für mich ein großes Lebensglück. Kaum ein Buch in meinem Regal blieb ungelesen und früh wurde ich begeisterte Bibliotheksgängerin. Mit neun Jahren bekam ich meinen ersten Bibliotheksausweis und noch heute liebe ich es, in Bibliotheken stundenlang die Regale zu durchstöbern. Das bedeutet für mich Glück.
Als vor sechs Jahren zum ersten Mal in Berlin die "Weiterbildung zur Lese- und Literaturpädagogin" angeboten wurde, bekam ich vom Gemeindekirchenrat und dem Kita-Team die Freistellung, sodass ich mich zwei Jahre lang meiner Leidenschaft widmen konnte. Ich lernte, probierte aus und gab weiter.
Dann kam 2020 Corona, und da ich zur Risikogruppe gehöre, musste ich ins Homeoffice. Neben all den normalen Verpflichtungen fand ich endlich Zeit, den Kindern, dem Team und mir einen persönlichen Traum zu erfüllen: der Aufbau einer eigenen Kita-Bibliothek.
In der Kita beginnt die Lesesozialisation bereits in den frühesten Anfängen. Für den Morgenkreis werden Bücher zu den verschiedensten Themen herangezogen, in jedem Raum der Kita stehen Bücher zur freien Verfügung, wir singen Lieder, lernen Reime, Abzählverse und Gedichte, das Kamishibai (ein japanisches Erzähltheater) wird eingesetzt und wir bieten Sprach-, Bewegungs- und Fingerspiele an. Geschichten werden erzählt und erfunden. Der Geschichtenwürfel oder die Gegenstände aus dem Geschichtensäckchen helfen uns dabei. Auch die dialogische Bildbetrachtung und das Philosophieren gehören in den Kita-Alltag. All diese Methoden wecken die Neugier und Freude an Sprache, Schrift und Kommunikation. Early Literacy, "die frühen Erfahrungen auch im Sinne von Vorerfahrungen mit Sprache, Schrift und Literatur" (JuLit 2/20), und die sprachliche Bildung sollten in jedem Kindergarten die großen Ziele sein.
Weshalb braucht ein Kindergarten darüber hinaus eine eigene Bibliothek?
Bibliotheken sind Orte, wohin man sich zurückziehen kann. Man liest alleine oder mit anderen gemeinsam oder beschäftigt sich mit Gesellschaftsspielen, auch das ist bei uns möglich. Kinder lernen hier den Umgang mit Büchern, von "Wie gehen wir mit den Büchern richtig um?" und "Welche Regeln gibt es in der Bibliothek?" bis zur eigenen Verantwortung für das ausgeliehene Buch. Die Familie wird mit eingebunden, denn die Kinder könnten den Wunsch haben, dass sie das ausgeliehene Buch von den großen Geschwistern, den Eltern oder Großeltern vorgelesen bekommen.
Eine eigene Kita-Bibliothek bereitet die Kinder auf die Schulbibliothek vor und auf die späteren Besuche der öffentlichen Bibliotheken. Eine eigene Bibliothek erhöht deshalb die Bildungsqualität einer Kita.
Wo liegen die Ziele einer eigenen Kita-Bibliothek?
Immer wieder ist in den letzten Jahren betont worden, wie wichtig die frühe und kontinuierliche Begegnung der Kinder mit Büchern ist. Um den Kindern das spätere Lesenlernen zu erleichtern, ist es Voraussetzung, dass die Kinder die Freude an Buchstaben und Worten entdecken und erleben. Bilder- und Sachbücher helfen den Kindern dabei. Durch die Beschäftigung mit Büchern wird der Wortschatz des Kindes erweitert, Kinder identifizieren sich mit den Themen der Bilderbücher, sie lernen andere Kulturen kennen und sehen, dass es auch Bücher in anderen Schriftsprachen gibt. Sie lernen Zusammenhänge begreifen und dass es für bestimmte Aufgaben Lösungen gibt. Kinder kommunizieren über die Bilder und den Inhalt eines Buches. Hierdurch wird die sprachliche Bildung der Kinder gefördert.
In einer eigenen Kita-Bibliothek sollte das Angebot stets aktuell und vielfältig sein.
Die Kinder kommen in die Bibliothek und suchen sich ein Buch aus, das sie ansehen möchten. Sie finden viele Bücher zu ganz verschiedenen Themen und können so ihren Interessen nachgehen. Suchen die Kinder ein Buch zu einem bestimmten Thema, z. B. über Tiere im Wald, oder sie möchten in eine Welt der Abenteuer eintauchen, z. B. Petterson und Findus, so wird ihnen das in der Bibliothek ermöglicht. Vielleicht möchte ein Kind ein Buch in seiner Muttersprache ansehen oder es gibt ein Thema, das ein Kind gerade ganz besonders beschäftigt, z. B. der Umzug in eine neue Wohnung, die Geschwister, Angst, die Trennung der Eltern oder anderes, so kann es durch die angebotenen Medien ungestört und einfach das passende Buch dazu finden. Eine pädagogische Fachkraft hilft dem Kind bei der Suche und Auswahl.
Wie ist die Kita-Bibliothek aufgebaut?
Es gibt in unserer Bibliothek verschiedene Abteilungen, z. B. Märchen- und Fantasiegeschichten, Erstlesebücher, Vorlesebücher, christliche Bücher, fremd- und mehrsprachige Bücher, Bilderbücher mit Tieren als Protagonisten und Bücher mit Themen aus der Welt des Kindes. Die Sachbücher sind wiederum nach verschiedenen Themen sortiert, z. B. Weltraum, Tiere, Natur, Umwelt, Geschichte, Dinosaurier usw.
Alle Bereiche sind mit unterschiedlich farbigen Klebepunkten gekennzeichnet, so wissen die Kinder, dass z. B. alle Märchen und Fantastischen Bücher einen gelben und alle Sachbücher einen blauen Punkt haben. Das erleichtert das Finden, Sortieren und Zurückstellen eines Buches.
Die Kinder können pro Woche ein Buch ausleihen. Bringen sie das ausgeliehene Buch zurück, dürfen sie sich das nächste Buch ausleihen. Jedes Buch ist registriert. Von den ausgeliehenen Büchern werden die dazugehörigen Karteikarten in einen eigenen Korb gelegt und mit Namen und Datum versehen. Diese einfache analoge Organisation des Leihverkehrs, wie sie früher im Prinzip in allen Bibliotheken üblich war, ist für eine kleine Kita-Bibliothek völlig ausreichend – aber notwendig, denn nur eine gut strukturierte und organisierte Bibliothek hilft den Kindern und auch den Erzieher*innen, das Gewünschte rasch zu finden.
Unsere Bibliothek besteht zur Zeit hauptsächlich aus Büchern, die wir gespendet bekommen haben. Ob von einer mich betreuenden Ärztin, von Freunden, deren Kinder aus dem Kindergartenalter herausgewachsen sind oder von Bettina Braun, der Lese- und Literaturpädagogin im Lesekeller der Adolf-Glaßbrenner-Grundschule, all diese Menschen haben mir mit ihren Spenden geholfen. Ich bin sehr dankbar, dass ich durch diese Hilfe eine große Vielfalt an Büchern anbieten kann, denn ein Etat für eine Bibliothek ist im Kitahaushalt nicht vorgesehen.
Vor einigen Wochen gründeten wir Berliner Lese- und Literaturpädagoginnen die "Akademie für literale und mediale Bildung". Unser Ziel ist es "ein starkes Forum für die Lese-und Literaturförderung in Berlin" (Akademiegründerin Sarah Wildeisen) aufzubauen und Weiterbildungsangebote für Erzieher*innen und andere Interessent*innen zu entwickeln. Dabei richten wir uns nach dem Qualifizierungsprogramm des Bundesverbandes Leseförderung.
"Unsere Vision ist, dass in fünf Jahren an jeder Schule und Kita mindestens eine literaturpädagogische Fachkraft selbstverständlich ist." (Akademiegründerin Petra Lölsberg)
Hinzu kommt meine Hoffnung, dass es eines Tages viel mehr Kindergartenbibliotheken und Buchkitas gibt als heute. Denn Leseförderung beginnt mit der sprachlichen Bildung von Geburt an.
Von Büchern umgeben – das ist in jedem Lebensalter ein großes Glück.
Maria Kiewitt-Mews (Juli 2021)
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